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Neues aus dem Verkehrsrecht

EuGH-Urteil: LKW-Maut zu hoch berechnet

Es geht um schätzungsweise 1.000.000.000 EUR allein für das Jahr 2022. So viel Geld hat wohl das Bundesverkehrsministerium zurückgestellt, um Spediteuren zu viel gezahlte Beträge für die Lkw-Maut zurückzuerstatten. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Kosten für die verkehrspolizeiliche Überwachung nicht in die Berechnung der Lkw-Maut einfließen dürfen (EuGH, Urteil vom 28.10.2020, Az. C 321/19).

Um was geht es bei der Lkw Maut?

Im Jahr 2005 wurde in Deutschland auf den Bundesautobahnen die Lkw-Maut eingeführt. Da gerade schwere Lastwagen die Straßen verschleißen, erschien es sachgerecht, insbesondere auch ausländische Spediteure an den Unterhaltungskosten für die Straßen zu beteiligen. Später wurde die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet und gilt für Lastwagen 7,5 t. Je nach Schadstoffauszug fällt die Lkw-Maut unterschiedlich hoch an. Die Lkw-Maut spült bis zu 7,5 Milliarden EUR jedes Jahr in den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland. Davon fließen 50.000.000 EUR an die Kommunen.

Warum war der EuGH zur Entscheidung berufen?

Ein polnisches Speditionsunternehmen hatte in den Jahren 2010 und 2011 für die Nutzung deutscher Straßen 12.420 EUR bezahlt. Als der Spediteur nachrechnete, stellte er fest, dass die Bundesrepublik neben den reinen Betriebskosten für den Betrieb und die Unterhaltung der Straßen auch die Tätigkeit der Verkehrspolizei in die Berechnung der Lkw-Maut einbezogen hatte.

Die verkehrspolizeiliche Überwachung auf den Autobahnen machte etwa zwischen 3,8 und 6 % der Kosten aus. Der Spediteur verlangte die Erstattung mit der Begründung, dass der Kostenaufwand für die Verkehrspolizei nicht Bestandteil der Lkw-Maut sein dürfe. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hatte dem EuGH die Rechtsfrage vorgelegt, ob die Einbeziehung des Kostenaufwandes für die Verkehrspolizei in die Lkw-Maut rechtens und mit EU-Recht vereinbar sei.

Wie entschied der EuGH?

Der EuGH gab dem polnischen Spediteur recht. Die Kosten für die verkehrspolizeiliche Überwachung dürfen nicht in die Lkw-Maut einberechnet werden. Bereits der EuGH-Generalanwalt Henrik Saugmanndsgaard vertrat die Ansicht, dass die Kosten für die Verkehrspolizei nicht Bestandteil der LKW-Maut sein können. Der EuGH folgte dieser Einschätzung.

Bei der Festsetzung der Mautgebühren dürften ausschließlich die Infrastrukturkosten berücksichtigt werden. Infrastrukturkosten sind die Kosten für den Bau sowie den Betrieb der Straßen, deren Instandhaltung und der Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes. Schließlich werde die Lkw-Maut offiziell auch als Infrastrukturabgabe bezeichnet.

Polizeiliche Tätigkeiten hingegen fallen in die Verantwortung des Staates, der bei der Überwachung durch die Polizei hoheitliche Befugnisse ausübt und deshalb nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur in Erscheinung trete. Daher könne der Kostenaufwand für die Verkehrspolizei nicht als Kostenfaktor für den Betrieb der Straßen betrachtet werden.

Der EuGH wies auch den Antrag der Bundesregierung zurück, mit dem die Bundesregierung die zeitliche Wirkung des Urteils zu Lasten der Bundesrepublik begrenzen wollte. Der ursprünglich von der Bundesrepublik benannte Betrag von 200.000.000 EUR pro Jahr für den Kostenaufwand für die Verkehrspolizei reiche nicht aus, um eine „Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen“ nachzuweisen. Bereits die geringfügige Überschreitung der Infrastrukturkosten bei den Mautgebühren sei nicht mit der EU-Wegekostenrichtlinie zu vereinbaren und verletze EU-Recht.

Da der EuGH die grundlegende Rechtsfrage entschieden hat, muss das Oberverwaltungsgericht in Münster erneut entscheiden, in welcher Höhe Erstattungsansprüche bestehen. Ob sich daraus eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht ergibt, bleibt abzuwarten.

Wie ist das EuGH-Urteil zu werten?

Das EuGH-Urteil erscheint konsequent, wenn man darauf abstellt, dass Infrastrukturausgaben Betriebsausgaben sind und der Kostenaufwand für die verkehrspolizeiliche Überwachung eine allein staatliche Aufgabe darstellt. Damit muss Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ein weiteres Mal zurückstecken. Bereits 2019 hatten die EuGH-Richter Scheuers Pläne für eine Pkw-Maut zurückgewiesen.

Das Urteil zur Lkw-Maut trifft den Bundesverkehrsminister als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zusätzlich, als in Kürze eine Reform der Eurovignetten-Richtlinie ansteht, auf deren Grundlage die Mauthöhe in allen Mitgliedstaaten berechnet werden soll. Da das Ministerium dadurch wohl Mindereinnahmen bei der Lkw-Maut erwartet, plant das Ministerium, die Maut auszuweiten und auch bereits Fahrzeuge ab 3,5 t Gesamtgewicht einzubeziehen.

Ausblick

Vielleicht war es der Versuch wert. Dennoch erscheint es wenig zielführend, Kosten, die offensichtlich keine Infrastrukturkosten sind, trotz entsprechender gegenläufiger Signale in die Maut einzuberechnen. Auch wenn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer für die bereits im Jahr 2005 beschlossene LKW-Maut keine Verantwortung trägt, fällt es letztlich dem Steuerzahler zur Last, den Schaden zu bezahlen. Der Schaden ist insoweit kein Schaden, als der Steuerzahler bereits vorher entsprechende Gebühren vereinnahmt hat, die es jetzt gilt, an die Spediteure zurückzuerstatten. Insoweit besteht der Schaden vornehmlich darin, dass die Bundesregierung sich erneut einen Fehltritt geleistet hat, der nicht unbedingt positiv wirkt.

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Autor iurFRIEND®-Redaktion vgwort-pixel

Datum 5. November 2020

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