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Neues aus dem Verkehrsrecht

Gaffer beim Unfall - Wer fotografiert, macht sich strafbar

Wer gafft, behindert andere. Gaffer ist, wer an einem Unfallort vorbeikommt und anstatt zu helfen, das Geschehen beobachtet oder gar fotografiert oder filmt. Gaffen ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch problematisch. Gaffer versperren Rettungskräften oft den Weg und behindern sie an der Arbeit. Um diesem Trend gegenzusteuern, hat der Gesetzgeber Gaffen nunmehr auch als Straftat gewertet. Eine Ordnungswidrigkeit war Gaffen ohnehin. Sprechen wir darüber, wie Sie möglichst nicht zum Gaffer werden.

Die Statistik gibt dem Gesetzgeber Recht

Im Jahr 2019 gab es in Deutschland 2.667.863 Straßenverkehrsunfälle. In 300.006 Fällen wurden Personen geschädigt. Es gab 3.059 Verkehrstote. Auf Autobahnen ereigneten sich 19.976 Unfälle (Quelle: ADAC).

Helfen statt Gaffen

Wenn Sie einen Verkehrsunfall sehen, sind Sie verpflichtet, Hilfe zu leisten. Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar (§ 323c StGB). Ist Ihnen die Hilfeleistung nicht zuzumuten, sind Sie verpflichtet, wenigstens den Notruf zu wählen und Rettung zu holen.

Gaffen kann töten

Stehen Sie nur hilflos und schaulustig im Weg und wahren nicht den notwendigen Abstand zum Unfallopfer, werden Sie schnell zum Gaffer. Behindern Sie dann auch noch den Zugang der Rettungskräfte zur Unfallstelle oder behindern die Einsatzkräfte bei der Arbeit, werden Sie zu einem aktiven Gaffer.

Das Fehlverhalten mancher Schaulustiger gipfelt dann noch darin, dass sie die Unfallstelle fotografieren oder filmen und ihr Werk wie eine Trophäe ins Netz stellen. Auch wenn Sie nur an der Unfallstelle vorbeifahren und zur besseren Einsichtnahme der Unfallstelle Ihre Geschwindigkeit reduzieren, „gaffen“ Sie. Sie behindern nicht nur den nachfolgenden Verkehr, sondern riskieren auch, dass die Einsatzkräfte nicht so schnell zur Unfallstelle vordringen, wie es bei einem angemessen fließenden Verkehr möglich wäre.

Um es ganz deutlich zu sagen: Ein solches Verhalten kann dazu führen, dass die Einsatzkräfte nicht schnell genug zum Unfallort gelangen oder das Unfallopfer nicht angemessen behandeln können und das Unfallopfer stirbt.

Jeder, der mit einem Verkehrsunfall konfrontiert ist, muss sich also vergegenwärtigen, dass das Unfallopfer Anspruch darauf hat, schnellstmöglich und bestmöglich versorgt zu werden. Ob und inwieweit die Versorgung notwendig ist, können am besten die Einsatzkräfte beurteilen, nicht aber die Verkehrsteilnehmer, die die Unfallstelle nur aus der Entfernung betrachten. Im Interesse des Opfers muss jeder Verkehrsteilnehmer davon ausgehen, dass der Unfall ein Notfall ist, bei dem dringendste Hilfe geboten ist.

Gaffen schadet doch nicht, oder?

Manch ein Verkehrsteilnehmer, der an einer Unfallstelle vorbeikommt, ist der Meinung, es schade nicht, wenn er dem Geschehen zusehe oder sich dafür interessiere. Wer so denkt, ignoriert, dass bei einem Einsatz jede Sekunde über Tod und Leben entscheiden kann. Völlig unverständlich ist es, wenn Einsatzkräfte berichten, wie sie von Schaulustigen aggressiv angegangen werden und diese sich teils weigern, den Unfallort zu verlassen oder ihr Smartphone in der Tasche zu lassen. Natürlich ist es kein Gaffen, wenn Sie zwangsläufig an einer Unfallstelle vorbeifahren müssen und die Unfallstelle im Blick haben.

Woher kommt diese Neugier?

Objektiv betrachtet, erscheint Gaffen sinnlos. Verkehrspsychologen interpretieren diese Neugier durch die Annahme, dass vielen Schaulustigen das Situationsbewusstsein fehle. Viele könnten das Ausmaß der Situation und die Auswirkungen ihrer Handlungen nicht einschätzen. Sie stellen ihr Sensationsinteresse über das Interesse des Unfallopfers. Es fehle das Einfühlungsvermögen in die Situation des Unfallopfers und die meist angespannte Situation der Rettungskräfte. Viele glauben, ihrem Ego zu dienen, wenn sie das Unfallgeschehen fotografieren und die Aufnahme über das Internet aller Welt zugänglich machen. Wenn man dann noch sieht, dass solche Darstellungen Likes bekommen und unglaublich oft angesehen werden, könnte man am Menschen verzweifeln. Diese Neugier ist umso verwerflicher, wenn die betreffende Person jegliche Motivation vermissen lässt, am Unfallort erste Hilfe zu leisten, obwohl sie Hilfe leisten könnte.

Jeder ist ein potentielles Unfallopfer

Wir sind mobil wie nie zuvor. Wenn wir in ein Auto steigen, müssen wir damit rechnen, dass wir in einen Verkehrsunfall verwickelt werden. Sollte dieser Fall eintreten, kann sich jeder von uns in einer Situation wiederfinden, in der er für den Einsatz von Rettungskräften dankbar ist. Sollten Rettungskräfte behindert werden, könnte dies bedeuten, dass wir den Unfall nicht überleben. Allein diese Vorstellung sollte Motiv genug sein, Gaffen als verwerflich zu erkennen und das eigene Verhalten danach auszurichten.

Gaffen ist strafbar

Der Gesetzgeber hat § 201a StGB neu formuliert. Demnach macht sich strafbar, wer die „Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt“. Die Polizeibeamten dürfen in diesem Fall sogar unmittelbar das Handy einziehen.

Konkret: Mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe wird bestraft, wer unter anderem:

  • eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt oder 
  • eine durch eine solche Tat hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht.

Gaffen ist eine Ordnungswidrigkeit

Auch wenn der Gaffer keine Fotos zum Unfallgeschehen anfertigt, kann er wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt und mit einem Bußgeld bis 1000 EUR belangt werden. Niedersachsen droht sogar bis zu 5000 EUR an. Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot gibt es jedoch nicht.

§ 113 OWiG bewertet Gaffen als eine Ordnungswidrigkeit, wenn Sie sich einer Ansammlung von Menschen anschließen oder sich nicht aus der Ansammlung entfernen, obwohl die Einsatzkräfte Sie dreimal rechtmäßig aufgefordert haben, auseinander zu gehen. Rechtmäßig bedeutet dies, dass Polizei oder Feuerwehr gute Gründe haben, eine Menschenansammlung aufzulösen. Meist geht es um die Gefahrenabwehr. Außerdem sind die Polizei- und Feuerwehrbeamten aufgrund der Polizei- und Feuerwehrgesetze der Bundesländer befugt, Sie von der Unfallstelle zu verweisen.

So verhalten Sie sich richtig

Vielleicht hilft es, wenn wir uns immer wieder bewusst vor Augen führen, wie wir uns im Ernstfall richtig verhalten sollten.

  • Stockt der Verkehr auf der Straße, sollten Sie frühzeitig daran denken, eine Rettungsgasse freizuhalten. Auf der Autobahn sollte dies relativ problemlos möglich sein.
  • Kommen Sie an einer Unfallstelle vorbei, an der die Einsatzkräfte bereits bei der Arbeit sind, fahren Sie möglichst zügig daran vorbei. Bleiben Sie auf keinen Fall stehen, drängeln Sie nicht und versuchen Sie nicht zu überholen.
  • Sehen Sie, dass noch keine Einsatzkräfte in Sicht sind, fahren Sie rechts ran. Leisten Sie Hilfe. Sichern Sie die Unfallstelle ab. Kontaktieren Sie per Handy den Notruf. Versuchen Sie, dem Unfallopfer im Rahmen Ihrer Möglichkeiten zu helfen. Bereits gutes Zureden kann Hilfe sein. Treffen die Einsatzkräfte ein, ziehen Sie sich zurück und überlassen alles Weitere den Einsatzkräften.
  • Respektieren Sie, dass die Einsatzkräfte möglicherweise hochgradig gefordert sind und selbst unter Stress stehen. Leisten Sie Anweisungen Folge und stellen Sie diese nicht infrage.
  • Und zu guter Letzt: Widerstehen Sie der eventuellen Versuchung, Fotos oder Videos vom Unfallgeschehen anzufertigen.

Alles in allem

Ihr Recht, sich frei zu bewegen und nach eigenem Ermessen zu handeln, findet dort seine Grenze, wo das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person beginnt. Das Recht eines Unfallopfers, angemessen versorgt zu werden, ohne dass dessen Hilflosigkeit für unbeteiligte Dritte sichtbar wird, sollte über allem anderen stehen.

Artikel-Informationen

Autor Volker Beeden vgwort-pixel

Datum 9. July 2020

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