Sie sind hier: BlogGibt es eine Promillegrenze für Pedelec-Fahrer?

Artikel-Bild
Neues aus dem Verkehrsrecht

Gibt es eine Promillegrenze für Pedelec-Fahrer?

Wir sind so mobil wie nie. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wie ein Fortbewegungsmittel rechtlich klassifiziert wird. Besonders aktuell sind Pedelecs. Die Klassifikation Ihres Fortbewegungsmittels entscheidet darüber, welche rechtlichen Konsequenzen es hat, wenn Sie verkehrsrechtlich irgendwie auffällig werden. Da eine strafrechtliche Verurteilung wegen eines Verkehrsverstoßes erhebliche Konsequenzen hat, kommt es auf jedes Detail an.

Für Pedelecs gelten bislang Sonderregeln

Ein Pedelec ist kein Kfz (§ 1 Abs. III StVG). Pedelecs sehen nicht nur aus wie Fahrräder, sondern sind rechtlich auch Fahrrädern gleichgestellt.  Fast alle E-Bikes sind sogenannte Pedelecs, die den Fahrer mit maximal 250 Watt Nenndauerleistung bis höchstens 25 km/h beim Treten unterstützen. Wie ein E-Bike oder ein Pedelec einzuordnen ist, hängt nämlich von der Stärke des unterstützenden Antriebs ab. So ist das Pocket-Bike wegen seinem stärkeren Antrieb hingegen als Kraftfahrzeug einzustufen (OLG Dresden DAR 2014, 396).

Da ein Pedelec kein Kfz ist, ist in der Konsequenz der für Kraftfahrer geltende Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille nicht auf einen Pedelec-Fahrer zu übertragen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe sah sich in einem konkreten Fall zur Klarstellung veranlasst (Beschluss vom 14.7.2020, Az. 2 RV35 Ss 175/20, Info: Es handelt sich nur um einen Hinweisbeschluss des Gerichts an die Verfahrensbeteiligten mit einer vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Die endgültige Entscheidung des Oberlandesgerichts steht noch aus, dürfte in der Sache aber den Hinweisbeschluss bestätigen).

Im Sachverhalt ging es um einen Pedelec-Fahrer, der bei 1,59 Promille Blutalkoholgehalt mit einer Radfahrerin zusammengestoßen war. Er wurde zunächst von der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr angeklagt. Dazu hätte der Pedelec-Fahrer ein „Kraftfahrzeug“ führen müssen (§ 316 StGB). Das OLG Karlsruhe stellte in letzter Instanz jedoch fest, dass ein Pedelec kein Kraftfahrzeug darstelle.

Zwar komme es darauf nicht unbedingt an. Vielmehr sei ein Pedelec nur ein mofaähnliches Fahrrad. Deshalb verbiete es sich, den für Autofahrer geltenden Grenzwert von 1,1 Promille ohne weiteres auf einen Pedelec-Fahrer zu übertragen. Daher könne der Pedelec-Fahrer im vorliegenden Fall auch nicht wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt werden.

Eine Verurteilung komme auch nicht im Hinblick auf den für Fahrradfahrer geltenden Alkoholgrenzwert von 1,6 Promille in Betracht. Es gebe kein gesichertes wissenschaftliches Erfahrungswissen, ob Pedelec-Fahrer bereits unterhalb des für Radfahrer geltenden Grenzwerts von 1,6 Promille im Blut absolut fahruntüchtig seien.

Mit anderen Worten: Eine Verurteilung als Kraftfahrzeugführer kommt nicht in Betracht, da ein Pedelec kein Kfz ist. Eine Verurteilung als Fahrradfahrer kommt nicht in Betracht, da der Blutalkoholgehalt unter dem Grenzwert von 1,6 Promille lag und nicht wissenschaftlich geklärt ist, ob ein Pedelec-Fahrer ähnlich einem Fahrradfahrer insoweit fahruntüchtig ist.

Für einen Pedelec-Fahrer führt dies zu der Erkenntnis, dass sie in einem solchen Fall zwar Glück haben, sich aber nicht darauf verlassen sollten, dass es dabei bleibt. Da Fahrradfahrer ab 1,6 Promille als absolut fahruntüchtig gelten und die Fortbewegung mit einem Pedelec ein höheres Risiko darstellt, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Gesetzgeber oder die Gerichte auch das von einem alkoholisierten Pedelec-Fahrer ausgehende Risiko strafrechtlich erfassen.

Auch eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG kam laut OLG Karlsruhe nicht in Betracht, da nur ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr alkoholisiert ein Kraftfahrzeug führt. Ein Pedelec ist aber gerade kein Kraftfahrzeug.

Welche Promillegrenzen gelten?

Sie machen sich strafbar, wenn Sie trotz einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille und mehr Auto fahren. Auf Ausfallerscheinungen kommt es dabei nicht an. Aber auch bei geringeren Promillewerten (ab etwa 0,3 Promille) liegt nicht mehr nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat vor, wenn alkoholtypische Ausfallerscheinungen, wie etwa Fahren in Schlangenlinien oder ein alkoholtypischer Unfall, festgestellt wurden.

Führen Sie mit 0,5 – 1,09 Promille ein Kraftfahrzeug oder verstoßen Sie als Fahranfänger gegen das Alkoholverbot am Steuer verstößt, ohne dass sie eine alkoholbedingte Auffälligkeit zeigen, begehen Sie eine Ordnungswidrigkeit und erhalten einen Bußgeldbescheid von in der Regel 500 EUR, einem Monat Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg.

Sind Sie mit 1,6 Promille auf dem Fahrrad unterwegs, begehen Sie eine Straftat und bekommen neben einer Geldstrafe von meist einem Monatsnettogehalt (30 Tagessätze) zwei Punkte in Flensburg. Außerdem ist die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) Pflicht. Fallen Sie durch, verlieren Sie Ihre Fahrerlaubnis.

Für Fußgänger gibt es hingegen keine Promillegrenze. Verursachen Sie jedoch im alkoholisierten Zustand einen Verkehrsunfall, sind Sie dem Geschädigten schadensersatzpflichtig. Letztlich könnte auch Ihre Fahrerlaubnis in Gefahr sein, wenn sich herausstellt, dass Sie im Alltag auf Alkohol nicht verzichten können.

Was ist mit S-Pedelecs?

In eine ganz andere Kategorie sind S-Pedelecs (auch schnelles Pedelec oder E-Bike 45 genannt) einzuordnen, die mit maximal vierfacher Beinkraft unterstützen dürfen und deren Tretunterstützung erst bei 45 km/h abschaltet. Während diese Transportmittel äußerlich einem Fahrrad gleichen, sind sie verkehrsrechtlich als Leichtkrafträder eingestuft (Klasse L1e-B bei Zweirädern und L2e bei Dreirädern). Deshalb brauchen S-Pedelec-Fahrer einen Helm, eine Fahrerlaubnis und ein Versicherungskennzeichen. Radwege sind tabu.

Interessant zu wissen

Sind Sie mit einem Segway unterwegs, führen Sie ein Kraftfahrzeug (§ 1 Verordnung über die Teilnahme elektronischer Mobilitätshilfen im Verkehr). Ihre absolute Fahruntüchtigkeit liegt daher bei 1,1 Promille. (OLG Hamburg, DAR 2017, 157).

Gleiches gilt, wenn Sie einen motorisierten Krankenfahrstuhl steuern. Auch dann führen Sie ein Kraftfahrzeug und sind mit einem Alkoholwert von 1,1 Promille absolut fahruntüchtig (OLG Nürnberg 2 Ss 230/10).

Achten Sie also auf die geltenden Vorschriften, wenn Sie ein Fahrzeug auswählen und fahren Sie vorsichtig

Artikel-Informationen

Autor Volker Beeden vgwort-pixel

Datum 3. August 2020

Teilen

Optionen   Diese Seite drucken

Was benötigen Sie?

RÜCKRUF-SERVICE
Kostenloses Gespräch!

  Jetzt anfordern

KONTAKT
Eine Nachricht schreiben

  Jetzt schreiben

FRAGE STELLEN
Antwort erhalten.

  Jetzt fragen