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Verkehrssituation bei abgesenktem Bordstein

Die Verkehrssituation bei einem abgesenkten Bordstein zu beurteilen ist als Verkehrsteilnehmer eine mehr als glatte Herausforderung. Eigentlich hat man in der Fahrschule alles dazu gelernt, aber 100%ig sicher ist man nicht. Zumal es Fragen dazu gibt, deren Antworten sich nicht schnell ergoogeln lassen: Können Sie dort parken, halten oder nur warten? Welches Bußgeld droht? Gehört der absenkende Bordstein zum abgesenkten Bordstein dazu? Mit Kenntnis weniger Grundsätze ersparen Sie sich unnötige Bußgelder.

Was zählt alles als abgesenkter Bordstein?

Sie erkennen einen abgesenkten Bordstein daran, dass der Bürgersteig und die Bordsteinkante nahezu bis auf die Höhe der Fahrbahn abgesenkt sind. Der Bürgersteig hat eine „Delle“. Mit der Absenkung des Bordsteins soll einer besonderen Verkehrssituation Rechnung getragen werden. Ein abgesenkter Bordstein ist wie ein Verkehrszeichen.

Welchen Zweck hat ein abgesenkter Bordstein?

Ein durchgehender und immer gleich hoch verlaufender Bordstein wird der Verkehrssituation nicht immer gerecht. Abgesenkte Bausteine haben unterschiedliche Gründe:

  • Grundstückseinfahrt- oder Grundstücksausfahrt: Damit Anwohner und deren Besucher (private und gewerbliche) ihr Grundstück besser anfahren und wieder abfahren können, ist der Bordstein abgesenkt.
  • Übergang von zwei aufeinander treffenden Straßen, damit die Überfahrt über einen abgesenkten Bordstein leichter erfolgen kann.
  • Rollstuhlfahrer, gehbehinderte Menschen oder Personen mit Kinderwagen sollen leichter auf die Straße gelangen oder umgekehrt von der Straße auf den Bürgersteig gelangen können.

Wo beginnt und endet der abgesenkte Bordstein?

Die Straßenverkehrsordnung definiert nicht, wo ein abgesenkter Bordstein beginnt und endet. Es gibt, soweit ersichtlich, auch keine Gerichtsurteile dazu. Damit stellt sich die Frage, ob der absenkende Bordstein bereits zum abgesenkten Bordstein zählt?

Wenn man auf die Funktion des abgesenkten Bordsteins abstellt, beginnt er dort, wo er die für seine Funktion gedachte Tiefe erreicht und nicht schon dort, wo die Absenkung von der Höhe des normalen Bordsteins beginnt. Der bloß absenkende Bordstein kann diese ihm zugedachte Funktion noch nicht erfüllen. Insoweit scheint es sinnwidrig, die Übergangszone bereits zum abgesenkten Bordstein zählen zu wollen.

Wie viel Rangieren ist bei der Grundstücksausfahrt zumutbar?

Die Antwort, wo der abgesenkte Bordstein beginnt und endet, beantwortet mehr oder weniger auch die Frage, welcher Abstand beim Parken zum abgesenkten Bordstein einzuhalten ist. Einen Mindestabstand zum abgesenkten Bordstein sieht das Straßenverkehrsrecht nicht vor. Somit darf dort, wo die Absenkung beendet ist und zur Höhe des normalen Bürgersteigs ansteigt, direkt wieder geparkt werden, sofern dort keine anderen Parkverbotsregeln gelten. Parken Sie Ihr Fahrzeug vor einem abgesenkten Bordstein, sollten Sie das Fahrzeug so abstellen, dass der Bordstein die ihm zugedachte Funktion problemlos erfüllen kann.

Geht es dabei um eine Grundstückseinfahrt, könnte sich die Zufahrt schwierig gestalten, wenn Sie auch die Übergangszone, in der der absenkende Bordstein zum abgesenkten Bordstein wird, in voller Länge ausnutzen. Muss der Anwohner, der über den abgesenkten Bordstein auf sein Grundstück auffährt oder davon abfährt, unzumutbar rangieren, könnte der abgesenkte Bordstein seiner Funktion nicht zuverlässig gerecht werden. Sie könnten sich dann auch nicht damit rechtfertigen, dass die Straßenverkehrsbehörde die Bordsteinabsenkung zu kurz bemessen hat. Es steht insoweit in Ihrer Verantwortung, ungeachtet der Bordsteinkante so zu parken, dass der Anlieger sein Grundstück möglichst problemlos erreicht. Schließlich liegt es auch wohl nicht in Ihrem Interesse, wenn Ihr Fahrzeug dabei beschädigt wird.

Käme es zu Streit, wäre die Situation ähnlich wie im Nachbarschaftsrecht nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu beurteilen. Eine 100 % klare Regelung lässt sich gesetzlich kaum formulieren. Jeder, der in einer solchen Situation beteiligt ist, muss das Interesse der anderen Partei respektieren, auch wenn er sich selbst in einem vorgegebenen rechtlichen Rahmen bewegt. Das Interesse bestimmt sich danach, dass einerseits Parken möglich sein muss, andererseits ein Anwohner in der Zu- und Ausfahrt seines Grundstücks nicht unnötigerweise beeinträchtigt werden darf. Müsste ein Gericht den Streit entscheiden, käme es sicherlich zu einer Ortsbesichtigung, nach der das Gericht nach eigenem Ermessen entscheiden würde.

PRAXISBEISPIEL

Wird gegenüber einer Grundstücksausfahrt geparkt, ist es dem Grundstückseigentümer zuzumuten, etwa dreimal rangieren zu müssen, um aus seiner Ausfahrt herausfahren zu können (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 8.3.2017, Az. 5 S 1044/15, bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.1.2019, Az. 3 C 7/17). Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass die in der Rechtsprechung als zumutbar angesehene Anzahl von Rangierversuchen erheblich variiere.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu konkret festgestellt (Leitsätze des Urteils):

  • Die Regelung des § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO, wonach das Parken auf schmalen Fahrbahnen auch gegenüber von Grundstücksein- und -ausfahrten verboten ist, genügt den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots.
  • Nach dem Sinn und Zweck von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO ist eine Fahrbahn dann "schmal" im Sinne dieser Regelung, wenn der Berechtigte bei einem Parken von Fahrzeugen auf der seiner Grundstückszufahrt gegenüber liegenden Straßenseite daran gehindert oder unzumutbar dabei behindert wird, in das Grundstück ein- oder von dort auszufahren.
  • Orientierungswert für die Einordnung einer Fahrbahn als "schmal" im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 StVO ist die Unterschreitung einer Fahrbahnbreite von 5,50 m. Die abschließende Einordnung hängt von den für den Betroffenen erkennbaren Umständen des Einzelfalls ab, etwa der Breite eines zum Ein- und Ausfahren zusätzlich zur Fahrbahn nutzbaren Gehwegs und der Übersichtlichkeit und Verkehrsbedeutung der Straße.

Abgesenkter Bordstein oder Gehweg?

In manchen Straßen haben Fahrbahn und Bürgersteig nahezu das gleiche Niveau. Der Bürgersteig ist oft mit einer Pflasterung markiert, gegenüber der Fahrbahn aber nicht erhöht. In diesem Fall kann von einem abgesenkten Bordstein keine Rede sein, da es überhaupt keinen Bordstein gibt. Der als Gehweg markierte Bürgersteig ist vielmehr den Fußgängern vorbehalten. Die Parksituation sollte durch Verkehrszeichen geregelt sein.

Vorfahrt bei abgesenktem Bordstein - kein rechts vor links

Die wichtigste Regelung beim abgesenkten Bordstein ist die Außerkraftsetzung der üblichen Vorfahrtsregelung. Ein abgesenkter Bordstein weist also darauf hin, dass an dieser Stelle Fahrzeuge sowie Fußgänger und Radfahrer den Vortritt haben. Der abgesenkte Bordstein wirkt wie ein Verkehrszeichen. Fahren Sie also von einer Zufahrtsstraße auf die vorbeiführende Fahrbahn, müssen Sie dem fließenden Verkehr Vorfahrt gewähren. Auch Radfahrer und Fußgänger dürfen vorrangig passieren.

Ferner ist jede Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden, so dass Sie mit besonderer Vorsicht in die vorbeiführende Straße einbiegen müssen. Nicht zuletzt sind Sie verpflichtet, den Blinker zu betätigen und darauf hinzuweisen, in welche Richtung Sie abbiegen möchten. Auch wenn die maßgebliche Vorschrift des § 10 StVO keine ausdrückliche Vorfahrtsregelung trifft, haben Sie sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Ausdrücklich bestimmt ist allerdings, dass Sie den Fahrtrichtungsanzeiger benutzen müssen, wenn die Absicht besteht, auf die Fahrbahn einzufahren.

In diesem Sinne hat das Landgericht Hagen (Urteil vom 14.11.2007, Az. 10 S 35/07) klargestellt, dass die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ an einer Bordsteinabsenkung nicht gilt und Fahrzeuge, die über einen abgesenkten Bordstein fahren, generell wartepflichtig sind. Dabei ging es um einen Verkehrsunfall, bei dem zwei Pkw zusammengestoßen waren, nachdem ein von rechts kommendes Fahrzeug über einen abgesenkten Bordstein in die vorbeifahrende Straße einbiegen wollte. Die Länge des abgesenkten Bordsteins spiele dabei keine Rolle. Es sei auch unerheblich, inwiefern die Straße, von der das Fahrzeug über einen abgesenkten Bordstein auf die andere Fahrbahn einfahren möchte, dem Verkehrsfluss dienlich sei und ob es sich tatsächlich um einen unbedeutenden, dem fließenden Verkehr nicht zuzuordnenden Straßenteil handele.

Wichtig: Biegen Sie von der Zufahrtsstraße in die vorbeiführende Straße ab, ohne den Blinker zu betätigen, riskieren Sie ein Bußgeld in Höhe von 10 Euro. Gefährden Sie dabei andere Verkehrsteilnehmer, erhöht sich das Bußgeld auf 30 EUR.

Parkverbot am abgesenkten Bordstein

§ 13 Abs. III StVO verbietet ausdrücklich, vor und an einer Bordsteinabsenkung zu parken. Immerhin dürfen Sie in diesem Bereich bis zu drei Minuten halten, sofern Sie im Fahrzeug sitzen bleiben und jederzeit in der Lage sind, wegzufahren. Das Problem dabei ist oft, dass das Gesetz keine Angaben zur Länge der Bordsteinabsenkung macht. Vollzieht sich die Bordsteinabsenkung über eine längere Strecke, bleibt oft unklar, ob das Parkverbot über die gesamte Länge besteht.

Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 5.11.1996, Az. Ss 515/96) hat hierzu entschieden, dass eine Bordsteinabsenkung nur bei einer Streckenlänge von bis zu einer Pkw-Länge anzunehmen sei. Aus dem Wortlaut „Absenkung“ sei zu folgern, dass ein Parkverbot nicht überall dort besteht, wo der Bordstein insgesamt auf eine längere Strecke flach ist. Vielmehr sei der Begriff der Absenkung so zu verstehen, dass sich der abgesenkte Bordstein deutlich von dem übrigen, höher gelegenen Bordsteinniveau abheben muss. In der Konsequenz liege keine Bordsteinabsenkung mehr vor, wenn die Absenkung länger als eine Pkw-Länge reiche. Das Problem dabei dürfte sein, was eine Pkw-Länge genau ist. Ein kleiner Smart ist was anderes als eine lange Limousine.

Demgegenüber vertritt das Kammergericht Berlin (Urteil vom 22.6.2015, Az. 3 Ws B 291/15, gleichfalls VG Regensburg, Urteil v. 16.05.2017 – RN 5 K 16.790) die Einschätzung, dass auch an einem Bordstein, der auf einer eine Fahrzeuglänge überschreitenden Strecke von 20 m abgesenkt ist, ein Parkverbot besteht. Eine Bordsteinabsenkung setze nach dem Sinn des Gesetzestextes lediglich voraus, dass es in unmittelbarer Nähe eine regulär höhere Bordsteinkante gibt. Eine Längenbegrenzung ergebe sich daraus jedenfalls nicht.

Praxistipp

Die sich widersprechende Rechtsprechung offenbart das Dilemma. Um eine Verkehrsregelung nicht als Gebot Gottes zu verstehen, sollten Sie sich in der Praxis damit behelfen, dass Sie eine Bordsteinabsenkung immer dann freihalten, wenn der damit verbundene Grund erkennbar ist. Soll damit beispielsweise die Zufahrt zu einem Grundstück ermöglicht werden, macht ein Parkverbot keinen Sinn, wenn die Bordsteinabsenkung über die Breite des Grundstücks hinausgeht und die Zufahrt gewährleistet bleibt. Im Zweifel jedoch sollten Sie dennoch versuchen, einen besser geeigneten Parkplatz zu finden. Letztlich vermeiden Sie damit auch eventuell unnötige Probleme mit einem Anwohner, der sich an der Zu- und Ausfahrt seines Grundstücks behindert fühlt.

Darf ein Fahrzeug an der Bordsteinabsenkung abgeschleppt werden?

Parken Sie an einer Bordsteinabsenkung, riskieren Sie, dass Ihr Fahrzeug abgeschleppt wird. Im Hinblick auf den jedem Gebot und Verbot innewohnenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre ein Ordnungshüter verpflichtet, Ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen oder zumindest eine kurze zumutbare Zeit zu warten, ob Sie an Ihrem Fahrzeug vorstellig werden. Tauchen Sie nicht auf, riskieren Sie, abgeschleppt zu werden, vor allem dann, wenn die Bordsteinabsenkung ihre Funktion nicht erfüllen kann. Gefährden Sie offensichtlich den Straßenverkehr, müssen Sie damit rechnen, sofort abgeschleppt zu werden.

Darf ein KfZ über einen abgesenkten Bordstein den Gehweg befahren?

Es soll Straßen geben, in denen es nicht möglich ist, dass zwei entgegenkommende Fahrzeuge problemlos einander vorbeifahren können. Insoweit könnten Sie es als naheliegend empfinden, auf Ihrer Seite über einen abgesenkten Bordstein auf den Gehweg zu fahren, um so am Gegenverkehr vorbeizukommen. Auch hier ist die Verkehrsregelung klar. Gehwege dienen der Fortbewegung  und dem Schutz von Fußgängern. Gehwege dürfen mit dem Auto nicht befahren werden. Auch wenn die Straßenverkehrsbehörde sich in einem solchen Fall offenbar eine Fehlplanung geleistet hat, müssen Sie mit Ihrem Fahrzeug vor oder hinter der Engstelle anhalten, um entgegenkommende Fahrzeuge passieren zu lassen. Dass sich dies in der Praxis nicht immer problemlos umsetzen lässt, liegt angesichts derartiger Straßenverhältnisse auf der Hand.

Welche Bußgelder drohen am abgesenkten Bordstein?

 

VorwurfBußgeld
Parken vor einer Bordsteinabsenkung (mit Behinderung) 10 EUR (15 EUR)
Parken länger als 3 Stunden vor einer Bordsteinabsenkung (mit Behinderung)20 EUR (30 EUR)
Einfahren über einen abgesenkten Bordstein auf die Fahrbahn, ohne zu blinken10 EUR
Einfahren über einen abgesenkten Bordstein auf die Fahrbahn und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer (z.B. Fußgänger)30 EUR
Fahren über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn und Verursachung eines Verkehrsunfalls35 EUR

 

Alles in allem

Die Verkehrssituation an abgesenkten Bordsteinen ist nicht immer wirklich übersichtlich. So wird es immer wieder Sachverhalte geben, in denen ein Vorwurf nicht gerechtfertigt erscheint. Möchten Sie einen solchen Vorwurf auf den Prüfstand stellen, sollten Sie sich vorab kompetent informieren und möglichst anwaltlich beraten lassen.  Am besten fragen Sie Ihren Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin, ob es zweckmäßig ist, ein Verwarnungsgeld oder Bußgeld zu akzeptieren oder ob Aussichten bestehen, den Vorwurf der Ordnungswidrigkeit richtigzustellen.

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Autor iurFRIEND-Redaktion vgwort-pixel

Datum 6. February 2023

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