Unterlassene Hilfeleistung

Unterlassene Hilfeleistung

Wer einen Führerschein erhalten will, muss einen Kurs über Sofortmaßnahmen am Unfallort absolvieren. Wird eine Person bei einem Unfall verletzt, sollen die anderen Verkehrsteilnehmer diesen schnell „Erste Hilfe“ leisten können.

Es besteht aber eine allgemeine Verpflichtung, anderen in bestimmten Situationen Hilfe zu leisten und das unabhängig davon, ob man einen Führerschein besitzt oder Unfallbeteiligter ist.

Leisten Sie in diesen Fällen nicht die erforderliche und zumutbare Hilfe, machen Sie sich strafbar. Unterlassene Hilfeleistung ist ein ernst zu nehmendes Strafdelikt.

Es lohnt sich daher in jedem Fall, einen genaueren Blick auf die Strafvorschrift Unterlassene Hilfeleistung zu richten.

Das Wichtigste

  • Unterlassene Hilfeleistung hat strafrechtliche Konsequenzen für Sie.
  • Im Falle eines Unglücksfalles, einer gemeinen Gefahr oder gemeiner Not sind Sie verpflichtet, erforderliche und nach den Umständen zumutbare Hilfe zu leisten.

In welchen Situationen muss ich helfen?

Es dürfte sich von selbst verstehen, dass man anderen Menschen Hilfe anbietet, wenn diese in Not sind. Aber wann genau bin ich hierzu von Gesetzes wegen verpflichtet?

Das Gesetz nennt hier drei Situationen

  • einen Unglücksfall,
  • gemeine Gefahr und
  • gemeine Not.

Unglücksfall

Die mit Abstand häufigste Situation, in denen die Unterlassene Hilfeleistung strafbar ist, ist der Unglücksfall.

Hierunter wird ein plötzlich eintretendes Ereignis verstanden, das zu einer erheblichen Gefahr für ein Individualrechtsgut führt. Es muss sich nicht um einen Personenschaden handeln. Auch die Gefährdung von Sachgütern zwingt Sie zur Hilfeleistung. Ebensowenig muss eine größere Zahl von Personen betroffen sein. Auch die Gefährdung einer einzelnen Person führt zu einer Pflicht, Hilfe zu leisten.

Praxisbeispiel:

Typisches Beispiel für einen Unglücksfall stellt die Situation nach einem Verkehrsunfall dar, wenn ein brennendes Fahrzeug oder eine verletzte Person vorgefunden werden.

Der Verkehrsunfall stellt einen geradezu mustergültigen Fall eines Unglücksfalles dar. Wurde bei einem solchen Unfall eine Person verletzt, ist jedermann verpflichtet, die erforderliche und zumutbare Hilfe zu leisten. Für Unfallbeteiligte ergibt sich diese Verpflichtung auch aus § 34 Abs.1, Ziff. 4 StVO. Hierbei ist es unerheblich, ob Sie gegen Verkehrsvorschriften verstoßen oder sonstwie den Unfall verursacht haben. Auch vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer sind zur Hilfeleistung verpflichtet.

Auch ein erfolgloser Selbsttötungsversuch, wenn jemand beispielsweise bewusst auf die Fahrbahn läuft, stellt einen Unglücksfall dar, so dass Sie auch hier zur Hilfe verpflichtet sind.

Gemeine Gefahr

Eine gemeine Gefahr ist eine konkrete Gefahr für eine unbestimmte Zahl von Menschen oder zahlreichen Sachen von insgesamt hohem Wert.

Sie kann bestehen, wenn durch einen Verkehrsunfall eine Gefahr für den Straßenverkehr entstanden ist.

Praxisbeispiel:

Das wäre etwa dann der Fall, wenn sich verunfallte Fahrzeuge auf der Straße befinden und hierdurch der nachfolgende Verkehr gefährdet werden könnte.

Die gemeine Not ist verkehrsrechtlich von untergeordneter Bedeutung.

Welche Hilfe ist erforderlich?

Liegt ein Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr vor, so muss die erforderliche Hilfe geleistet werden, sonst liegt eine strafbare, unterlassene Hilfeleistung vor. Was ist hierunter zu verstehen?

Es sind alle Handlungen gefordert, die objektiv die entstandene Notlage mindern oder beseitigen können.

Auszugehen ist von der Sichtweise eines objektiven Beobachters zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Notsituation. Es kommt also nicht darauf an, was sich im Nachhinein als sinnvolle und erforderliche Maßnahme herausgestellt haben könnte.

Es kommt auch nicht auf die Erfolgsaussichten der Hilfeleistung an. Einem Verletzten ist immer Hilfe zu leisten, auch wenn absehbar ist, daß diese Hilfe fehlschlagen wird. Das gilt selbst dann, wenn der Tod eines Verletzten voraussichtlich nicht abgewendet werden kann.

Auch wenn die Unterlassene Hilfeleistung erfolglos bleibt, bleibt dies außer Betracht. Die Notlage muss sich also durch die Unterlassene Hilfeleistung nicht verschlimmern.

Wenn die Hilfe offensichtlich aussichtslos ist, kann eine Hilfe unterbleiben. Das ist im Grunde nur dann der Fall, wenn der Verunglückte bereits tot ist.

Die Pflicht zur Hilfeleistung entfällt auch dann, wenn sichere Gewähr für anderweitige Hilfe besteht und keine unterlassene Hilfeleistung angenommen werden kann. Sie sind aber stets verpflichtet, gründlich zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist. Seien Sie also bei der Annahme anderweitiger Hilfe sehr vorsichtig.

Expertentipp:

Erfahrungsgemäß haben viele Menschen eine hohe Hemmschwelle, bei einer Gefahrenlage einzugreifen und Hilfe zu leisten. Diese Zurückhaltung wird umso stärker, wenn sich mehrere Personen am Unglücksort aufhalten. Viele haben dann Angst, vorzutreten und Hilfe zu leisten, weil sie annehmen, von den anderen Anwesenden beurteilt zu werden. Es besteht keinerlei Anlass für diese Befürchtungen. Sobald eine Person die Hilfeleistung aufnimmt, kommen stets weitere Helfende hinzu. Seien Sie also die erste helfende Person und warten Sie nicht, bis eine andere Person den Anfang macht.

Nehmen Sie Kontakt zu anderen Anwesenden auf und fordern Sie diese direkt zur Hilfe auf.

Sichern Sie umgehend die Unfallstelle, indem Sie das Warnblinklicht einschalten, eine Warnweste anlegen und ein Warndreieck aufstellen. Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel über das Verhalten bei einem Unfall.

Bei verletzten Personen rufen Sie umgehend einen Krankenwagen und die Polizei.

Leisten Sie die erlernten Sofortmaßnahmen am Unfallort, bis der Rettungsdienst eintrifft.

Auch hier besteht keinerlei Anlass zur Sorge, dass Sie etwas falsch machen könnten. Jede Hilfe bei Verletzten ist besser als unterlassene Hilfeleistung, also gar keine Hilfe. Zudem sind Sie natürlich nur im Rahmen Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zur Hilfe verpflichtet. Sie unterliegen keinerlei Erfolgsdruck und müssen keine medizinischen Kenntnisse mitbringen.

Expertentipp:

Auch wenn eine gesetzliche Verpflichtung hierzu nicht besteht, kann es sinnvoll sein, in größeren Abständen erneut einen Kurs über Sofortmaßnahmen am Unfallort zu besuchen. In einer Unfallsituation können Sie so stets mit sicherem Gefühl verletzten Personen Hilfe leisten.

Allergrößte Vorsicht ist geboten, wenn Sie keine Hilfe leisten, weil Sie annehmen, dass dies schon jemand anderes tun wird oder Polizei und Rettungsdienst bereits herbeigerufen wurden.

Die Pflicht zur Hilfeleistung trifft jede anwesende Person und das unabhängig vom Verhalten anderer, ansonsten begehen Sie unterlassene Hilfeleistung.

Vergewissern Sie sich also sorgfältig, ob eine andere Person die Hilfeleistung aufgenommen hat und Ihre Unterstützung nicht benötigt.

Gehen Sie in keinem Fall davon aus, dass nach einem Unfall schon irgendjemand die Polizei oder den Rettungsdienst verständigt hat, sondern fragen Sie konkret nach, ob dies bereits geschehen ist.

Selbst wenn Polizei und Rettungsdienst bereits auf dem Weg sind, können Sie verpflichtet sein, die Unfallstelle abzusichern und die Verletzten zu versorgen.

Expertentipp:

Verlassen Sie die Unfallstelle also nur, wenn Sie absolut sicher sind, dass die erforderliche Hilfe sichergestellt ist, sonst liegt unterlassene Hilfeleistung vor.

Welche ist Hilfe ist zumutbar?

Zur Hilfeleistung sind Sie nur verpflichtet, wenn diese Ihnen zumutbar ist. Wann wird eine Hilfe aber unzumutbar?

Das Gesetz nennt hierbei zum einen eine erhebliche eigene Gefahr und zum anderen entgegenstehende andere wichtige Pflichten. Sie müssen sich also nicht erheblich selbst gefährden, um einer anderen Person zu helfen. Es wird nicht verlangt, dass Sie zu einem „Draufgänger“ mutieren und sich in Todesgefahr begeben.

Praxisbeispiel:

Befindet sich also ein Fahrzeug in Brand, müssen Sie sich keinen eigenen Verbrennungen aussetzen, um Fahrzeuginsassen zu helfen (Löschversuche müssen Sie aber natürlich unternehmen).

Befindet sich ein Fahrzeug unmittelbar an einem Abgrund, dürfen Sie einen entsprechenden Abstand halten, um nicht selbst in die Tiefe zu stürzen.

Sie müssen nur diejenige Hilfe leisten, die Ihren psychischen und geistigen Kräften, Ihrer Lebenserfahrung und Vorbildung entsprechen. Sie müssen die für Sie bestmögliche Hilfe leisten.

Befinden Sie sich wegen eines schwerwiegenden Unfalls in einer psychischen Ausnahmesituation, so kann eine Hilfe wegen einer Unfähigkeit zu überlegten Handeln unzumutbar sein.

Leisten Sie die Hilfe, die Sie sich für sich und für nahe Familienangehörige wünschen würden. Gefahren, die Sie auch für Familienangehörige nicht auf sich nehmen würden, müssen Sie in keinem Falle einem Fremden zukommen lassen.

Entgegenstehende Pflichten schließen die Pflicht zur Hilfeleistung ebenfalls aus. Diese andere Rechtspflicht muss aber ebenso schwerwiegend sein, wie die Pflicht zur Hilfeleistung. Wenn Sie sich also in Begleitung eines Kindes in der Nähe einer gefährlichen Unfallsituation befinden, müssen Sie das Kind nicht allein lassen.

Ein besonderer Fall liegt auch dann vor, wenn Sie mehreren Personen Hilfe leisten müssen. Hoffentlich geraten Sie niemals in diese Situation: in einer Notlage müssen Sie verschiedenen Personen Hilfe leisten, können tatsächlich aber nur einer Person helfen. Sie können also der einen Person nur helfen, indem Sie der anderen Person die gebotene Hilfeleistung verwehren. In diesem Falle kollidieren zwei gleichwertige Hilfeleistungspflichten, so dass Sie sich nicht strafbar machen, wenn Sie von zwei oder mehreren Personen, denen Sie in gleicher Weise helfen könnten, eine Person auswählen; hinsichtlich der anderen Person triff Sie also kein Tatvorwurf.

Insbesondere ist es auch erlaubt - und sogar geboten - nahen Familienangehörigen den Vorzug zu geben. Voraussetzung ist jeweils, dass Sie beiden Personen in gleicher Weise hätten helfen können, sich also zu beiden beispielsweise in gleicher Entfernung aufhalten und daher beide Personen gleich gut erreichen zu können.

Welche Strafe erwartet mich bei Unterlassener Hilfeleistung?

Unterlassene Hilfeleistung sieht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor.

Hier kann sehr schnell eine Strafe in Höhe eines Nettomonatsgehalt festgesetzt werden. Die Strafe ist also empfindlich. In seltenen Fällen wird auch eine Freiheitsstrafe in Betracht kommen.

Entziehung der Fahrerlaubnis

Bei erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen die Pflicht zur Hilfeleistung kann, wenn diese Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges erfolgt sind, auch der Führerschein entzogen werden.

Auch hierzu finden Sie hier weitergehende Informationen.

Die Straftat verjährt nach drei Jahren.

Expertentipp:

Nach einem Verkehrsunfall ist es besonders wichtig, daß schnelle und effektive Hilfe erfolgt, um die enstandenen und sich gegebenenfalls weiterentwickelnden Schäden so gering wie möglich zu halten. Der Gesetzgeber richtet daher einen strafrechtlich gesicherten Appell an das Sozialverhalten der Bürger. Diese sind verpflichtet, einander in derartigen Notlagen beizustehen.

Denken Sie hierbei daran, daß jeder von uns einmal in die Situation geraten kann, in einer Notlage, etwa einem Verkehrsunfall, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Helfen Sie daher beherzt und zügig anderen so, wie Sie selbst Hilfe zu erhalten wünschen.

Riskieren Sie keine unterlassene Hilfeleistung, nicht zuletzt wegen der nicht unerheblichen Strafandrohung.

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