Vorfahrt im Straßenverkehr

Vorfahrt im Straßenverkehr

Nähern sich mehrere Fahrzeuge einer Kreuzung oder Einmündung, entscheiden die Vorfahrtsregeln, wer zuerst fahren darf und wer warten muss. Da die Missachtung der Vorfahrtsregeln häufig Grund für einen Unfall ist, sollten Sie wissen, wann Sie Vorfahrt haben und wann Sie Vorfahrt gewähren müssen. Allein die Kenntnis der Grundregel „rechts vor links“ genügt jedenfalls nicht.

Kurze Zusammenfassung

  • Wer von rechts kommt, hat automatisch Vorfahrt, es sei denn, die Vorfahrt ist durch Vorfahrtschilder, eine Ampelanlage oder einen Polizisten geregelt.
  • Nähern sich aus allen vier Richtungen Fahrzeuge, muss ein Verkehrsteilnehmer auf seine Vorfahrt verzichten. Man sollte sich per Handzeichen verständigen.
  • Die Pflicht, Vorfahrt zu gewähren, besteht nicht, wenn ein Verkehrsteilnehmer aus einem Waldweg, einem verkehrsberuhigten Bereich oder einem Grundstück auf die Straße einbiegen möchte.

Praktische Tipps für Sie

Tipp 1: Vorfahrt entbindet nicht von jeglicher Sorgfalt
Auch wenn Sie Vorfahrt haben, dürfen Sie Ihr Vorfahrtsrecht nicht blind nutzen, sondern müssen Ihr Fahrverhalten an die örtlichen Verhältnisse anpassen.

Tipp 2: Beweis der Vorfahrtmissachtung per Anscheinsbeweis
Wer auf einer vorfahrtsberechtigten Straße die Vorfahrt missachtet, muss sich im Wege des Anscheinsbeweises vorhalten lassen, dass er sich verkehrswidrig verhalten hat.

Tipp 3: Riskieren Sie keine Strafe nach StGB
Missachten Sie grob verkehrswidrig und rücksichtslos eine Vorfahrtsregelung und verursachen einen Verkehrsunfall mit Personen- oder Sachschaden, machen Sie sich strafbar.

Wer hat Vorfahrt?

Immer dann, wenn sich Straßen kreuzen oder eine Straße in eine andere einmündet und sich die Fahrtrichtungen von Fahrzeugen kreuzen, kommt ein Vorfahrtfall in Betracht. In anderen Fällen, beispielsweise wenn Sie abbiegen oder wenden, spricht man nicht von Vorfahrt, sondern von Vorrang oder Vorrecht.

Kommen Sie von rechts, haben Sie automatisch Vorfahrt, zumindest so lange, als die Vorfahrt nicht anderweitig geregelt ist. Alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen warten. Sie dürfen fahren. Rechts vor links gilt unabhängig von der Fahrtrichtung. Es kommt allein darauf an, woher ein Fahrzeug kommt.

Achtung Radfahrer!

Die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt auch für Radfahrer sowie für Radfahrer, die auf einem Radweg rechts von Ihnen fahren, aber geradeaus weiterfahren möchten. Möchten Sie dann rechts abbiegen, müssen Sie dem Radfahrer Vorfahrt gewähren. Dabei ist wichtig, dass Sie auch den gebührenden Mindestabstand von neuerdings 1,50 m zum Radfahrer möglichst einhalten.

Problem: Kreuzung mit vier Fahrzeugen

Nähern sich an einer Kreuzung aus allen vier Richtungen Fahrzeuge, muss zwangsläufig ein Verkehrsteilnehmer auf seine Vorfahrt verzichten. Es empfiehlt sich, dass man sich untereinander per Handzeichen oder Lichthupe verständigt. Ohne eine gewisse Kompromissbereitschaft gibt es allerdings keine Lösung. Sofern jeder aus seinem Vorfahrtsrecht besteht, riskieren die Beteiligten, dass sich alle vier Fahrzeuge in der Mitte der Kreuzung treffen. Am besten ist, wenn derjenige zuerst fährt, der die Verkehrssituation am besten überblicken und mit dem geringsten Risiko losfahren kann.

Vorfahrtsregelung durch Ampeln, Vorfahrtsschilder oder Polizei

Die Regel „rechts vor links“ ist die Grundregel. Diese Grundregel tritt augenscheinlich außer Kraft, wenn an der Straße oder an einer Kreuzung eine Ampelregelung besteht. Dann zählt allein rot oder grün. Sofern ein Polizeibeamter den Verkehr regelt, sind ausschließlich dessen Anweisungen zu befolgen. Sonstige Vorfahrtsregelungen durch Lichtzeichen oder Verkehrszeichen interessieren dann nicht. Insoweit ergibt sich die Reihenfolge „rechts vor links“, Vorfahrtschild, Verkehrsregelung Polizeibeamter.

Verkehrszeichen an Kreuzung Vorfahrt gewähren

Ist die Verkehrssituation unübersichtlich, sind an der Straße oder an einer Kreuzung bisweilen auch Vorfahrtsschilder aufgestellt. Die Vorfahrtsschilder haben vornehmlich den Zweck, den Verkehrsteilnehmer auf die Vorfahrtsregelung aufmerksam zu machen. Das folgende Verkehrszeichen verdeutlicht die Grundregel „rechts vor links“. Auch wenn kein solches Schild erkennbar ist, gilt „rechts vor links“. Hier heißt es für Sie: Bremsbereit sein! Fahren Sie langsam heran und gewähren den von rechts kommenden Fahrzeugen Vorfahrt.

Verkehrszeichen Vorfahrt gewähren

Das Vorfahrtsschild wird an jeder Kreuzung und Einmündung von rechts wiederholt. Das Schild steht entweder vor, auf oder hinter der Kreuzung oder Einmündung und gibt Vorfahrt bis zu dem Zeichen „Vorfahrt gewähren!“, „Halt! Vorfahrt gewähren!“ oder „Ende der Vorfahrtstraße“.

2.3. Verkehrszeichen Vorfahrt nur an dieser Straße

Sie haben Vorfahrt nur an der nächsten Kreuzung oder Einmündung. Sie brauchen den von rechts kommenden Fahrzeugen keine Vorfahrt zu gewähren. Sie interpretieren das Vorfahrtschild am einfachsten, wenn Sie den längs laufenden dicken Pfeil so verstehen, dass auf dieser Straße das Vorfahrtsrecht besteht, während die von rechts kommende Straße dünn gekennzeichnet ist und deshalb wartepflichtig ist.

Verkehrszeichen Achtung Vorfahrt

Sie müssen dem Querverkehr Vorfahrt gewähren. Es empfiehlt sich, abzubremsen. Können Sie die Kreuzung und einsehen, brauchen Sie nicht zwingend anzuhalten und dürfen mit mäßigem Tempo durchfahren oder abbiegen.

Möchten Sie links abbiegen, kreuzen Sie die Fahrspur des Gegenverkehrs. Sie müssen unabhängig davon, ob die Vorfahrt durch Licht- oder Verkehrszeichen geregelt ist, den entgegenkommenden und geradeaus fahrenden oder rechts abbiegenden Verkehr zuerst fahren lassen.

Vorfahrtsregelung im Kreisverkehr

Fahren Sie im Kreisverkehr, haben die Fahrzeuge im Kreisel Vorfahrt. Fahren Sie in den Kreisverkehr ein, brauchen Sie nicht zu blinken. Blinken brauchen Sie nur, wenn Sie den Kreisverkehr wieder verlassen. Die Vorfahrtsregelung wird meist durch ein Vorfahrtzeichen und das Verkehrszeichen Kreisverkehr angezeigt.

Wann gelten die Vorfahrtsregeln nicht?

Sie brauchen die üblichen Vorfahrtsregeln nicht zu beachten, wenn:

  • der Querverkehr aus einer Fußgängerzone oder einer verkehrsberuhigten Zone von rechts auf die insoweit vorfahrtsberechtigte Straße ausfahren möchte,
  • der Querverkehr aus einem Wald- oder Feldweg auf die Straße einbiegen,
  • der Querverkehr über einen abgesenkten Bordstein auf die Straße fahren oder
  • der Querverkehr aus der Ausfahrt eines Grundstücks auf die Straße einbiegen möchte.

Was ist der Unterschied zwischen Vorrang und Vorfahrt?

Beim unechten Kreisverkehr (kreisförmiger Knotenpunkt, meist in Wohngebieten) gilt die Regel "rechts vor links". Der Einfahrende hat also Vorrang. Fahrtrichtung ist gegen den Uhrzeigersinn. Achtung: Setzen Sie den Blinker beim Ein- und Ausfahren. Ansonsten spricht man auch von Vorrang oder Vorrecht, wenn kein unmittelbares Vorfahrtsrecht besteht, weil Sie beispielsweise abbiegen oder wenden möchten. Andere Verkehrsteilnehmer sind abgehalten, die gebotene Rücksicht zu nehmen.

Was besagt der Anscheinsbeweis bei vorfahrtsbedingten Unfällen?

In der Praxis spielen sich Verkehrsunfälle oft nach dem gleichen Schema ab. Die Rechtsprechung hat deshalb das Prinzip des Anscheinsbeweises entwickelt. Der Anscheinsbeweis vermittelt dem Richter die Überzeugung, dass ein Geschehen so verlaufen ist, wie es nach der Erfahrung für gleichartige Geschehnisse typischerweise verläuft. Es wird also von einem bestimmten Ereignis auf eine bestimmte Folge geschlossen. Ausgangspunkt ist demzufolge ein Geschehensablauf, der nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss einer Sorgfaltspflichtverletzung aufdrängt, weil er für eine schuldhafte Verursachung typisch ist. Der Beweis des Anscheins entfällt aber bereits dann, wenn der Gegner Tatsachen beweist, die die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes ergeben.

Typischer Anscheinsbeweis bei Vorfahrtsverletzung

  • Missachten Sie ein Stoppschild und verursachen einen Verkehrsunfall, handeln Sie in aller Regel grob fahrlässig und sind vollumfänglich schadensersatzpflichtig. Daran ändert auch nichts, wenn Sie sich auf ein Augenblicksversagen berufen. In einem Fall des OLG Köln (9 U 132/01) hatte eine Frau geltend gemacht, dass sie ortsunkundig gewesen sei und durch ein wichtiges Gespräch mit dem Beifahrer abgelenkt war. Insoweit sprach allein der Anschein dafür, dass die Frau den Verkehrsunfall verursacht hatte.
  • Missachten Sie die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“, spricht der Anschein dafür, dass Sie den bevorrechtigten Verkehr nicht ausreichend beachtet haben. Problematisch sind in der Praxis die Fälle „halbe Vorfahrt“. Auch derjenige, der an sich vorfahrtsberechtigt ist, muss ebenso vorsichtig an die Kreuzung heranfahren, um sicherzustellen, dass er sein Vorfahrtsrecht problemlos in Anspruch nehmen kann. Hierbei kommt es auf die Geschwindigkeit und die Sicht nach rechts an. In der Praxis kommt es häufig zu einer Haftungsverteilung. Sie dürfen also nicht ungeprüft auf Ihr Vorfahrtsrecht vertrauen, wenn die Verkehrssituation für andere Verkehrsteilnehmer schwer zu erkennen ist und Sie deshalb von vornherein damit rechnen müssen, dass Ihr Vorfahrtsrecht möglicherweise nicht wahrgenommen wird (OLG Koblenz 7 S 332/05).
  • Fahren Sie auf einer Vorfahrtstraße trotz gesetztem Blinker weiter geradeaus und stoßen mit einem einbiegenden Fahrzeug zusammen, müssen Sie die Hälfte der Kosten übernehmen, weil Sie für eine „verwirrende Verkehrslage“ gesorgt haben. Allerdings darf sich der einbiegende Verkehrsteilnehmer nicht blind auf das Blinkzeichen verlassen (LG Bonn 8 S 241/01).

Wann machen Sie sich wegen Vorfahrtsverletzung strafbar?

Sie machen sich nach § 315c Nr. 2 StGB strafbar, wenn Sie sich verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten, indem Sie die Vorfahrt nicht beachten und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährden.

Die „Nichtbeachtung der Vorfahrt“ bezieht sich zunächst auf die ausdrücklichen Vorfahrtsregeln. Der Tatbestand betrifft aber alle anderen vorfahrtsvergleichbaren Verkehrssituationen, wie an Fußgängerüberwegen, beim Abbiegen, beim Einfahren auf die Fahrbahn oder Anfahren vom Fahrbahnrand, beim Vorbeifahren oder wenn Sie an einer Engstelle den Vorrang des Gegenverkehrs missachten.

Voraussetzung insgesamt ist, dass Sie sich dabei grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten. Grob verkehrswidrig bedeutet, dass ein besonders schwerer Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift vorliegt (Missachtung eines Stoppschildes oder der Vorfahrt). Rücksichtslos handelt, wer sich aus eigensüchtigen Gründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vornherein bedenkenlos und unbekümmert drauflosfährt.

Ausblick

Die Verkehrsverhältnisse stellen an die Verkehrsteilnehmer hohe Anforderungen. Ohne klare Regeln geht es nicht. Wer für sich selbst erwartet, bei einem unverschuldeten Unfall entschädigt zu werden, muss akzeptieren, dass er selbst Regeln zu beherzigen hat. Und irgendwer hat im Leben immer Vorfahrt. Auch wenn sie nicht direkt Vorfahrt haben, irgendwann geht es auch für Sie voran.

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